Christian Stöger: Sportler, Sozialpädagoge und seit 20 Jahren in Hohenwehrda
„Die Zeit in der Mittelstufe und die Pubertät sehe ich als die prägendste Zeit im Leben eines Menschen. Viele Kinder durchleben in Hohenwehrda die wichtigste Zeit ihres Lebens für die Entwicklung ihrer Persönlichkeit“, sagt Christian Stöger. Seit 20 Jahren begleitet er als Sozialpädagoge im Lietz Internat Hohenwehrda junge Menschen durch diese Phase mit Empathie und klaren Worten: „Wenn mir etwas nicht gefällt, dann darf derjenige das auch ruhig wissen.“ Die Art kommt an, Christian Stöger ist geschätzt, beliebt und respektiert.Über seine Vorzüge möchte Christian Stöger ungern sprechen, auf Nachfrage beschreibt er sich als loyal, zuverlässig und hilfsbereit. „Ich kann gut zuhören.“ Schlechte Laune bekommt er, wenn man den kleinen Finger hinhält – „und das Gegenüber die ganze Hand nimmt. Wenn man Hilfsbereitschaft ausnutzt“.
Was macht für ihn einen guten Sozialpädagogen aus? „Er muss sich in die Lage der Kinder versetzen können. Konsequent sein. Aber auch Spaß verstehen. Und er muss Blödsinn mitmachen können.“ Christian Stöger kann das.
Seinen Zugang zu den Jugendlichen erhält der Familienvater durch eine passende Mischung aus Fachwissen, Authentizität und Sport – hier betreut er neben den Gilden Basketball, Tischtennis, Volleyball, Fußball auch das Laufen. Wenn die Puste reicht, nutzt er besonders beim Laufsport gerne die Chance für gute Gespräche. Mit nun 46 Jahren muss aber auch Christian Stöger erkennen: Das Alter zehrt bisweilen.
20 Jahre Hohenwehrda – das Lietz Internat ist Stögers erste Arbeitsstelle. Dabei fand er „Ho“ zufällig bei einer Recherche bei der Agentur für Arbeit. Damals, 25 Jahre alt, suchte er nach seinem Studium der Sozialen Arbeit eine Anerkennungsstelle und setzte sich im Bewerbungsverfahren gegen vier Kandidaten durch. Das war vor zwei Jahrzehnten. Er ist nicht „einfach hängengeblieben“, sondern entschied sich bewusst für den Ort oberhalb Wehrdas. Langeweile habe er hier noch nie verspürt. „Die Tage sind nicht vorhersehbar. Das macht es anstrengend, aber auch spannend. In 20 Jahren habe ich nicht den Eindruck, dass sich schon mal etwas wiederholt hat.“
Christian Stöger ist im besten Sinne heimatverbunden, wird zwar in Schwalmstadt geboren, wächst aber im Dorf Oberaula auf. 1800 Einwohner, ländliche Struktur. Stögers Elternhaus liegt zudem außerhalb der Ortsgrenze, das Zentrum ist etwa zwei Kilometer weg. Natur umgibt seine Jugend, er bezeichnet diese Phase als glücklich, genießt die Vorzüge des Dorflebens: Ruhe, Vertrautheit, Verlässlichkeit.
Abitur 1993 an der Melanchtonschule in Willingshausen-Steinatal, 25 Kilometer weg von Oberaula. Christian Stöger fährt mit dem Bus oder dem Rad zur Schule. Anschließend Studium in Siegen. Kommilitonen an der Hochschule– viele kommen aus dem Kölner Raum – beklagen die Einöde des Siegerlandes. Dort hält nur alle 30 Minuten ein Bus. Stöger reagiert auf das Jammern der Mitstudenten mit einer Frage: „Was wollt ihr denn? Bei mir daheim kommt nur ein Bus am Tag.“
Heimat bedeutet für ihn, „wenn an der Autobahn das Schild auf die Region Waldhessen hinweist“. Stöger braucht den Wald und ländliche Strukturen. In einer Stadt hält er es nicht lange aus, das gilt auch heute noch. Er erlebt die Region, als hier noch die Grenze zwischen Ost und West stand. Es war deutlich ruhiger. „Heute gibt es viel Durchgangsverkehr in alle Richtungen.“
Seine Aufgabe als Sozialpädagoge, seine eigene Familie und viel Sport nennt Stöger als seine Hobbys. Lange spielte er Handball, geht heute nicht mehr. Laufen geht immer, Radfahren auch. Zwei, drei Mal in der Woche fährt Christian Stöger die 15 Kilometer von seinem Wohnort Niederaula nach Hohenwehrda – nicht auf einem E-Bike, sondern mit einem konventionellen Rad. Das dauert nur 20 Minuten länger als mit dem Auto, ist aber viel gesünder und seine „Antwort auf die Forderungen von Fridays for Future“.
Welchen Tipp gibt Sozialpädagoge Stöger für die Arbeit mit Kindern? „Man muss Bock auf Kinder haben. Dann kann man viele Sachen machen, seine Ideen mit ihnen gemeinsam umsetzen. Dann ist es keine Arbeit mehr.“
Text: Martin Batzel
Foto: Jens Terlinden