Internatsschulen sind anders als Tagesschulen – nicht nur für die Schüler, sondern auch für die Lehrkräfte. Was macht diese Schulen aus? Wofür stehen Internate?
Dieser Beitrag soll über die Aspekte einer Tätigkeit an einem Internat aufklären.
Die etwa 250 Internate in Deutschland lassen sich nach vielen verschiedenen Kriterien sortieren, für Referendare und Lehrer / Lehrerinnen auf Stellensuche sind dabei insbesondere die folgenden vier relevant:
- Träger / Schulkonzept
- Status (Anerkennung / Genehmigung)
- Verteilung der Schülerzahl auf interne und externe Schüler
- Zusatzverpflichtungen (Betreuung, Essensteilnahme, Wochenenden, Residenzpflicht)
Träger
Es gibt in Deutschland drei große Gruppen von Internatsträgern: die beiden christlichen Kirchen, den Staat und freie Träger.
Die Kirchen betreiben viele Internate (teils nach Landeskirchen gruppiert oder in Stiftungen zusammengefasst), die staatlichen Internate sind den Kultusministerien der Bundesländer zugeordnet und die freien Träger betreiben in einer i. d. R. gemeinnützigen Rechtsform meist nur ein, manchmal bis zu drei Internate. Unter den freien Trägern gibt es Schulen, die sich „quasi selbst gehören“ und welche, bei denen beispielsweise das Schulgelände einer Familie gehört, die dieses an die Schule verpachtet und somit aus ihrem Immobilienvermögen Einnahmen erhält.
Wichtig ist daher, zunächst herauszufinden, wer der Träger des Internats ist und ob man selbst hinter den Zielen des Trägers stehen kann. Denn sicher ist: In einem Internat mit seinem 24 Stundenbetrieb kann und will ein Träger seine pädagogischen Ambitionen stärker umsetzen als an einer Tagesschule.
Ebenfalls vom Träger vorgegeben ist der Stil des Hauses: von spartanisch bis luxuriös, von understatement bis protzend, von Kuschelpädagogik bis zum Boot Camp. Ein erster Eindruck lässt sich leicht gewinnen: Schuluniform oder Birkenstock, Polo-Turnier oder Bergwanderung, 1-Bettzimmer mit Bad oder Viererzimmer mit Etagendusche, Ausflug ins Shopping Center oder akademische Arbeitsgemeinschaften – vieles deutet darauf, worauf die Schule Wert legt und worin Zeit und damit Schulgeld investiert wird.
Status
Nicht alle Internate betreiben eine eigene Schule. In diesem Fall besuchen die Schüler die Schule eines anderen Trägers (meist eine staatliche Schule) und die Frage des Schulstatus stellt sich bei einer Bewerbung nicht. Diese Häuser beschäftigen jedoch in der Regel kaum Lehrkräfte, sondern eher Sozialpädagogen, da sie ja selbst kaum Unterricht anbieten.
Die Internate, die eine eigene Schule unter ihrem Dach betreiben, lassen sich in zwei große Gruppen aufteilen:
Es gibt staatlich anerkannte Ersatzschulen in freier Trägerschaft. Diese sind „ein anerkannter Ersatz“ für eine staatliche Schule, d.h. für diese Schulen gelten die gleichen Aufnahmekriterien, die gleichen Lehrpläne, die gleiche Versetzungsordnung und die gleichen Regeln für die Notengebung wie an staatlichen Schulen. Meist schreiben die Bundesländer vor, wie viel Prozent des Kollegiums mindestens eine staatliche Lehrerausbildung erfolgreich abgeschlossen haben muss, um so die Qualität des Unterrichts zu gewährleisten. Es ist auch üblich, dass beim Land verbeamtete Lehrkräfte für den Unterricht an diese Schulen beurlaubt werden.
Daneben stehen die „genehmigten Ergänzungsschulen“ – auch diese Schulen stehen unter staatlicher Aufsicht, können jedoch hinsichtlich ihrer Personalauswahl und ihren Lehrplänen wesentlich freier agieren, dürfen jedoch im Gegenzug auch keine Prüfungen wie z. B. die Hochschulzugangsberechtigung vergeben. Schüler dieser Schulen, die beispielsweise das Abitur ablegen wollen, müssen dies in einer sogenannten „Externenprüfung“ tun, d.h. vor staatlichen Lehrkräften gemäß den staatlichen Regeln. Die größte Gruppe dieser Ergänzungsschulen sind die Waldorfschulen.
Während damit die staatlich anerkannten Ersatzschulen auch dem Lehrplan folgen müssen und somit auch die Lehrkräfte „den Druck haben“, diese umzusetzen, geht es an den genehmigten Ergänzungsschulen freier zu – allerdings dann mit der Hürde, dass die Schüler am Ende in allen prüfungsrelevanten Fächern die Externenprüfung bestehen müssen.
Interne und externe Schüler
Ein wesentlicher Aspekt für die Arbeit an einem Internat ist das Verhältnis interner zu externen Schüler. Es gibt Internatsschulen, bei denen mehr als 90% Schülern im Internat wohnen wie auch Internate, in denen das Verhältnis genau umgekehrt ist.
Je höher der Anteil der sogenannten „externen Schüler“, umso mehr gleicht die Schule einer ganz normalen Regelschule. Doch wenn die „internen Schüler“ mehr als der Hälfte aller Schüler stellen, ändert sich einiges. Solche „klassischen“ Internate planen in der Regel die Schule vor dem Hintergrund des Internatsbetriebs, was beispielsweise zur Folge haben kann:
- Die Stundenpläne orientieren sich am Internatsleben und nicht am Fahrplan des öffentlichen Nahverkehrs.
- Der Unterricht wird stärker über die Woche verstreut, weil Freistunden nicht zu unbeaufsichtigten Gruppen führen; bei Internaten mit Wochenendbetrieb kommt häufig Samstagsunterricht hinzu, weil die Schüler ohnehin auf dem Gelände sind und sich so volle Stundenpläne über einen weiteren Vormittag verteilen lassen.
- Elternabende finden selten unter der Woche statt, weil die Eltern der Internatsschüler dann nicht kommen könnten, sondern eher Freitag Abend oder am Wochenende. Der Elternkontakt ist häufig telefonisch oder elektronisch.
- Meist gibt es mehr Arbeitsgemeinschaften und Gilden/Dienste, da der Träger auch für die Freizeitgestaltung verantwortlich ist.
- Die Internatsschule übernimmt eine Verantwortung für die Erziehung der Schüler, d.h. Themen, die in der Tagesschule die Eltern bearbeiten, wie beispielsweise Hausaufgaben, Handynutzung, dem Wetter angemessene Kleidung, Alkoholkonsum, Vorbereitung auf Klassenarbeiten, Bewerbung für ein Pflichtpraktikum, Schlafenszeit, Liebeskummer, etc. werden durch die Internatsverantwortlichen abgedeckt. Dies können Lehrkräfte oder Pädagogen sein.
Zusatzverpflichtungen
Ganz generell lässt sich feststellen: Die Arbeitsbelastung an Internaten ist überdurchschnittlich. Diese Arbeitgeber eignen sich für Menschen, die aus Überzeugung und aus Spaß an der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen den Beruf der Lehrkraft ergriffen haben. Denn an den meisten Internaten ist trozu der meist kleinen Klassen der Zeitaufwand, den man den einzelnen Schülerinnen und Schülern gibt, höher als an vielen anderen Schulen. Wen es also begeistert, die Entwicklung von Schülern intensiv zu begleiten und wer darüber auch mal die Zeit vergisst – diese Lehrkraft kann in einem Internat ihre berufliche Erfüllung finden.
Je nach Organisation des Internats kommen auf die Lehrkräfte Aufgaben zu, die sie nicht aus dem Referendariat kennen. Ganz grob kann man die Optionen der Anstellung in drei Gruppen einteilen:
a) Die Tätigkeit von Lehrern, die weder auf dem Gelände wohnen noch eine Internatsgruppe betreuen, ist vergleichbar mit den Aufgaben an staatlichen Schulen – es kann sein, dass es ein paar zusätzliche Verpflichtungen gibt (z.B. Angebot einer Arbeitsgemeinschaft oder gelegentliche Internatsvertretung), aber im Wesentlichen wird nur ein geringer Unterschied spürbar sein. Möglicherweise sind im Arbeitsvertrag aufgeführte oder beispielsweise durch Betriebsvereinbarung festgelegte Vertretungsdienste im Internat zu leisten. Diese Gruppe an Arbeitsverhältnissen gibt es umso häufiger, je höher der Anteil der externen Schüler ist.
b) Die Tätigkeit von Lehrern, die auf dem Gelände wohnen, jedoch selbst keine Internatsgruppe betreuen, ist bereits in einigen Punkten anders: Diese begegnen Schülern regelmäßig auch in der Freizeit, essen vielleicht gemeinsam mit Schülern in der Mensa und sind Teil des „Campuslebens“. Das hat viele Vorteile, zum Beispiel in der Regel eine andere (meist bessere) Beziehung zwischen Lehrkräften und Schülern und damit verbunden eine bessere Lernatmosphäre wie auch in der Regel recht günstige Wohnungsmieten. Allerdings ist diese Lebensform nur etwas für Lehrkräfte, die damit umgehen können, ihre Schüler auch außerhalb des Unterrichts zu sehen: Wer zum Einkaufen in den Nachbarort fährt, um „im Privatleben“ keine Schüler zu treffen, der sollte gründlich prüfen, ob dieses Modell passt.
c)Die intensivste Form des Internatslehrers ist eine Tätigkeit als sogenanntes Familienoberhaupt oder Hauserwachsener, wie sie insbesondere in den reformpädagogischen Internaten der „Die Internatevereinigung“ (Link) vorkommt. Diese Internate verfolgen das Konzept der Einheit von Leben und Lernen und beziehen dabei die Lehrkräfte mit ein. Die Lehrkräfte betreuen also eine Gruppe an Schülern und je nach Internat kann das eine gemischt geschlechtliche Gruppe aller Jahrgangsstufen sein oder auch eine Gruppe nur des eigenen Geschlechts aus einigen Jahrgangsstufen.
Im Gegenzug zu dieser Betreuungsaufgabe wird in der Regel die Unterrichtsverpflichtung reduziert, so dass Zeit für die internatliche Tätigkeit gewonnen wird. Diese Form der Tätigkeit ist sehr befriedigend für Lehrkräfte, die in Studium und Referendariat einen intensiveren persönlichen Kontakt zu Schülerinnen und Schülern vermisst haben und die den Kindern und Jugendlichen in ihrer Persönlichkeit gerecht werden wollen.
Allerdings setzt die Tätigkeit auch voraus, dass man für sich eine klare Rollenpositionierung hat und das Spannungsfeld aus Nähe und Distanz ausbalanciert: Die meisten Lehrkräfte, die an dieser Aufgabe scheitern, sind ihren Schützlingen emotional zu nahe und gehen jede schlechte Note und jeden Liebeskummer emotional mit – daher ist es sinnvoll, sich bei Übernahme einer solchen Tätigkeit zunächst zwei Schuljahre Zeit zu geben, um zu prüfen, ob man für diese pädagogisch sehr befriedigende Aufgabe auch auf Dauer geeignet ist. Ein guter Indikator ist auch, dass eine Lehrkraft bereits in der Jugend oder dem Studium Ausflüge von Jugendgruppen geleitet hat, sei es bei den Pfadfindern, einer Kirchengemeinde, im Sportverein, ….
Nachvollziehbar ist: Die Privatsphäre dieser Lehrkräfte ist noch geringer als in Variante b) und auch wenn in der Regel diese Internatsbetreuer mit ihren Familien in einer eigenen Wohnung wohnen, so muss man damit rechnen, dass die Internatsschüler „alles“ mitbekommen.
Hinzu kommt eine stärkere Amplitude der Arbeitsbelastung: Die Anrechnung auf den Unterricht ist meist so bemessen, dass sie Unterrichtsstunden entsprechen soll. Doch Unterrichtstätigkeit beinhaltet immer die Vorbereitung ebenso wie Korrekturen von Arbeiten in der unterrichtsfreien Zeit. All dies entfällt bei der Internatstätigkeit, d.h. hier muss die Arbeitsleistung in der kurzen Zeit zwischen den Ferien erbracht werden. In dieser Anwesenheitsphase der Schüler fallen also grundsätzlich Überstunden an – allerdings mit dem Vorteil, dass die unterrichtsfreie Zeit eben auch Überstundenabbau und damit mehr Ferien beinhaltet als bei Lehrkräften, die ausschließlich unterrichten und dann in der unterrichtsfreien Zeit mehr vorbereiten und korrigieren müssen.