Felix und Sylvie Heiser
Ein Ehepaar zieht auf eine stürmische Nordseeinsel und arbeitet dort gemeinsam im Internat. Wie fühlt sich das an?
An welchem Internat arbeiten Sie – und wie lange?
Wir arbeiten seit August 2016 an der Hermann Lietz-Schule Spiekeroog. Felix ist als Lehrer für die Fächer Geschichte, Erdkunde und Politik tätig. Sylvie arbeitet sowohl als pädagogische Mitarbeiterin im Internatsalltag als auch im Sekretariat im Bereich der Schülerakquise, -aufnahme und Öffentlichkeitsarbeit. Gemeinsam betreuen wir seit Januar 2017 auch eine Internatsfamilie.
Was haben Sie vor Ihrer Tätigkeit im Internat getan?
Sylvie arbeitete nach ihrem Studium der Politik- und Geschichtswissenschaften an der Universität Heidelberg und in den USA für die Bildungsinitiative „Teach First Deutschland“ an einer Mannheimer Hauptschule und engagierte sich dort unter anderem in Integrationsklassen für geflüchtete Kinder und Jugendliche. Anschließend war sie im Bildungsbereich für die Gemeinnützige Hertie-Stiftung in Frankfurt am Main als Projektreferentin tätig.
Felix studierte an der Universität Heidelberg Geschichte, Geographie und Politikwissenschaften auf Lehramt und absolvierte sein Referendariat an einem Heidelberger Gymnasium. Danach arbeitete er an einer Mannheimer Privatschule und hatte dort die Leitung des Technischen Gymnasialzweiges inne.
Warum haben Sie sich für diese Aufgabe entschieden?
Da wir beide gute und interessante Jobs hatten, ist uns die Entscheidung nicht leicht gefallen. Dennoch hatten wir Lust, etwas Neues auszuprobieren. Nach dem hektischen Leben in der Mannheimer Innenstadt und der täglichen Pendelei zur Arbeitsstelle war es in unseren Augen Zeit für eine Veränderung. Darüber hinaus sind wir beide der Insel Spiekeroog schon seit vielen Jahren sehr verbunden. Der Standort auf einer kleinen Insel in der Nordsee, der für viele vielleicht zunächst abschreckend klingen mag, war für uns ein spannendes Abenteuer. Wir beide haben Spaß an der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, aber unserer Erfahrung nach ist diese Arbeit besonders effektiv, wenn man die Möglichkeit erhält, eine gute Beziehung zu den Jugendlichen aufzubauen. Das ist im Kontext Schule oft schwer. Felix, der Fächer unterrichtet, die meistens mit wenigen Wochenstunden in der Stundentafel veranschlagt sind, sieht Schülerinnen und Schüler oft nur eine Stunde in der Woche. Das macht es unmöglich, eine solide Basis für eine gute Zusammenarbeit mit den Schülern herzustellen. Ebenso überzeugte uns das reformpädagogische Konzept der Hermann Lietz-Schule.
Welche Erwartungen an die Tätigkeit wurden erfüllt?
Die Arbeit am Internat ist spannend, abwechslungsreich und jeden Tag warten neue Herausforderungen auf uns. Wir schätzen besonders die gute Beziehung zu den Schülerinnen und Schülern, den Kollegen und den kurzen Draht zur Schul- und Internatsleitung. Die kleine Gemeinschaft, in der wir leben, schafft ein vertrauensvolles Lebens- und Arbeitsklima, in dem wir uns sehr wohl fühlen. Ebenso ist es in diesem Job für uns möglich, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren, wie es sonst für berufstätige Eltern nur selten möglich ist.
Was sind für Sie besondere Herausforderungen Ihrer Tätigkeit
Die Herausforderung für uns im Internatsleben ist es, unsere Privatsphäre – trotz engem Zusammenleben mit Schülern und Kollegen – zu bewahren. Anders als in einem normalen Bürojob oder als Lehrer an einer Regelschule, ist man als Internatspädagoge auch außerhalb der „regulären Arbeitszeiten“ ansprechbar. Das kann in Zeiten mit hohem Arbeitsaufwand stressig sein, dennoch haben wir die Erfahrung gemacht, dass ein aktives Einfordern von Privatsphäre sowohl von Schüler- als auch von Kollegenseite akzeptiert wird.
Welche drei Vorteile sehen Sie in Ihrer Tätigkeit im Internat gegenüber der Tätigkeit an einer normalen Schule?
- Man kennt jeden einzelnen Schüler persönlich.
- Die Klassen sind kleiner und überschaubarer als an Regelschulen.
- Es findet ein täglicher, enger Austausch im Kollegium statt.
Welche Eigenschaften finden Sie besonders wichtig, wenn sich jemand für eine solche Aufgabe interessiert?
Wichtig sind Humor, Gelassenheit und Offenheit gegenüber den – auch außerschulischen – Bedürfnissen junger Menschen. Der wertschätzende gegenseitige Umgang ist unserer Meinung nach sehr wichtig, da die Schülerinnen und Schüler ein sehr gutes Gespür dafür haben, ob sie ernst genommen werden oder nicht.
Wer sollte sich auf diese Aufgabe auf gar keinen Fall bewerben?
Menschen, die sich als reine „Fachlehrer“ verstehen und keine Lust darauf haben, ihren Schülern auch nachmittags über den Weg zu laufen.
Betreuen Sie nur Schüler eines Geschlechts und einer Altersgruppe oder eine gemischte Gruppe?
Unsere derzeitige Internatsfamilie besteht aus sieben internen und zwei externen Schülerinnen und Schülern. Vier Mädchen und fünf Jungs im Alter von 11 bis 17 Jahren; von Klasse 6 bis Klasse 11. Diese gemischte Zusammensetzung macht das Zusammenleben lustig und abwechslungsreich.
Erhalten Sie für Ihre Tätigkeit im Internat eine Entlastung im Unterricht?
An unserem Internat wird die Internatsarbeit mit der Anrechnung einer halben Deputatsstunde pro internen Familienschüler entlohnt.
Wie sieht eine durchschnittliche Woche, ein Arbeitstag bei Ihnen aus?
Felix unterrichtet derzeit 18 Wochenstunden in den Klassen 8 bis 12. Einen Tag die Woche hat er frei, dafür unterrichtet er auch am Samstag. Sylvie arbeitet vormittags im Büro und ist – neben Verwaltungstätigkeiten – verantwortlich für die Schülerakquise und Öffentlichkeitsarbeit und unterstützt teilweise am Nachmittag die Hausaufgabenbetreuung/Studienzeit. Unsere Schulfamilie sehen wir täglich bei den drei Mahlzeiten von Montag bis Samstag. Aber natürlich sind wir für die Schülerinnen und Schüler auch Ansprechpartner für schulische und außerschulische Belange. Alle zwei Wochen haben wir außerdem auch einen Familienabend, an dem die Familie gemeinsam etwas unternimmt. Daneben gehören auch die Kommunikation und der regelmäßige Austausch mit den Eltern zu unseren Aufgaben. An ca. vier Abenden im Monat haben wir Abenddienst und sind dafür verantwortlich, die Schülerinnen und Schüler eines Internatsflügels ins Bett zu bringen und für Ruhe auf den Gängen zu sorgen. Der Sonntag ist unser gemeinsamer freier Tag.
Wie beurteilen Sie Ihre Arbeitsbelastung?
Zweifelsohne ist die Arbeitsbelastung während der regulären Schulzeit nicht zu unterschätzen. Durchaus hat man dann auch abends und am Wochenende Gespräche mit Schülern, Kollegen und Eltern sowie Berichte und E-Mails zu verfassen. Dennoch hat man im Internat die Möglichkeit, Leben und Arbeiten so miteinander zu verknüpfen, dass man sich auch seine Freiräume schaffen kann. Darüber hinaus genießen wir die gemeinsamen Schulferien, die bedingt durch den Samstagsunterricht länger ausfallen als an regulären Schulen.
Wie oft dürfen Sie das Internat während der Schulzeit verlassen?
Jeder Kollege hat bei uns unter der Woche einen freien Tag. Den Sonntag haben wir beide frei. An diesen freien Tagen haben wir die Möglichkeit das Internat zu verlassen und eigene Termin wahrzunehmen. Für unsere Schulfamilie sind wir allerdings auch an den freien Tagen in Notfällen zu erreichen oder organisieren eine Vertretung.
Was sollte jeder Bewerber wissen?
Das Arbeiten im Internat bietet viele Vorteile: Wir sind unbefristet angestellt und werden tariflich bezahlt, haben eine günstige und schöne Dienstwohnung, erhalten Vollverpflegung und leben auf einer wunderschönen Nordseeinsel. Dennoch bedeutet das Arbeiten im Internat ein enges Zusammenleben in einem Mikrokosmos, in dem man Konflikten nur schlecht aus dem Weg gehen kann. Daher sollte man als Bewerber Kommunikations- und Konfliktfähigkeit mitbringen.
Was ist ihr Tipp für Bewerber, Neueinsteiger in diesem Beruf?
Sie sich die Schule vor Ort genau ansehen, im besten Fall einen oder mehrere Tage im Internatsalltag verbringen und mit Schülern, Lehrern und Mitarbeitern ins Gespräch kommen. Für uns waren der persönliche Besuch und die guten Gespräche mit den heutigen Kollegen an der Hermann Lietz-Schule Spiekeroog ausschlaggebend für unsere Entscheidung, den Schritt ins Internat zu wagen.