Sabine Lächler
Lehrerin, Mentorin und stellv. Internatsleiterin aus Urspring
An welchem Internat arbeiten Sie – und wie lange?
Ich bin an der Urspringschule in Schelklingen nun seit fast zehn Jahren tätig.
Was haben Sie vor Ihrer Tätigkeit im Internat getan?
Ich habe nach dem Abitur Realschullehramt studiert und dann das Referendariat gemacht. Nachdem ich beide Staatsexamen absolviert hatte, sah es an den Realschulen mit meiner Fächerkombination von Deutsch und Biologie leider nicht gut aus und so nahm ich eine Stelle als Krankheitsvertretung am Gymnasium Wilhelmsdorf an, diese war jedoch auf ein Jahr befristet und so schaute ich mich nach einer neuen Stelle um.
Warum haben Sie sich für diese Aufgabe entschieden?
Über das Leben am Internat wusste ich gar nichts und auch hatte ich keine Ahnung von der Urspringschule, obwohl diese nur 25 Kilometer von meinem Heimatort entfernt liegt. Nachdem eine gute Freundin mir von Urspring erzählte, wurde ich neugierig und bewarb mich initiativ dort als Lehrerin. Im Vorstellungsgespräch erfuhr ich grundsätzliche Abläufe des Internats und ehrlich gesagt war mir das alles ziemlich ungeheuer und ich konnte mir nicht vorstellen, wie das Leben so als interner Lehrer ablaufen würde. Würde es wie bei Hanni und Nanni sein oder bei dem fliegenden Klassenzimmer? Oder waren das alles nur die Vorstellungen die man so als Kind vom Internatsleben hatte und es würde total streng und konservativ sein. Ich wollte es herausfinden, deswegen habe ich mich für die Stelle entschieden.
Welche Ihrer Erwartungen an die Tätigkeit wurden erfüllt?
Ich hatte nicht viele konkrete Erwartungen an die Tätigkeit, wusste ich doch so wenig, was tatsächlich auf mich zukommen würde. Eine Herausforderung war es auf jeden Fall. Ich wollte etwas lernen, persönlich und beruflich weiterkommen, mich weiterentwickeln und gefordert werden. Meine Tätigkeit sollte mir Spaß machen, ich wollte jungen Menschen helfen zu leben und zu lernen. Tatsächlich kann ich sagen, diese Erwartungen wurden mehr als erfüllt, ich habe viel gegeben in den letzten 10 Jahren, aber mindestens genauso viel bekommen.
Was sind für Sie besondere Herausforderungen in Ihrer Tätigkeit?
Man muss die Balance finden zwischen Nähe und Distanz, das ist nicht immer einfach, wenn man so eng zusammenlebt mit den Schülern, oftmals auch über Jahre. Es ist einfach wichtig, dass man einen gesunden Abstand zu den Schülern hält, ohne sich nicht für deren Leben zu interessieren. Außerdem braucht man ein gutes Zeitmanagement, um der Doppelrolle gerecht zu werden.
Welche drei Vorteile sehen Sie in Ihrer Tätigkeit im Internat gegenüber der Tätigkeit an einer normalen Schule?
Der erste Vorteil ist ganz klar, dass man die Schüler besser kennt. Es herrscht ein komplett anderes zwischenmenschliches Verhältnis. Man sieht sich nicht nur im Unterricht, sondern auch im Alltag, beim Essen zum Beispiel, auch in der Freizeit. Nicht nur Inhalte des Unterrichts, sondern auch Lebenskompetenz kann vermittelt werden, man hat viel mehr Gelegenheiten mit den Schülern zu kommunizieren und ihnen ein Vorbild zu sein. Man kann über Unterrichtsinhalte auch mal sprechen und durch die kleinen Klassen und die besondere Pädagogik erkennt man auch schon deutlich den zweiten Vorteil.
Man kann viel freier unterrichten, Exkursionen, praktisches Arbeiten und neue Methoden sind leicht um zusetzen, die Nähe zur Natur und die Lage in einem wundervollen Biosphärengebiet mit zahlreichen Sehenswürdigkeiten vereinfacht zusätzlich die Nutzung außerschulischer Lernorte.
Als dritten Vorteil würde ich die unkomplizierte Zusammenarbeit nennen, auch das Kollegium und die Leitung arbeiten auf einer ganz anderen Ebene zusammen, es herrscht ein beinah familiäres Klima.
Welche Eigenschaften finden Sie besonders wichtig, wenn sich jemand für eine solche Aufgabe interessiert?
Wie schon erwähnt, ein gutes Zeitmanagement ist unerlässlich. Gelassenheit und Geduld, sich auch mit Kindern zu beschäftigen, die zeitweise andere Probleme als Schule mit sich herumtragen, Verständnis für Kinder und Jugendliche. Aber auch die Fähigkeit mal nein zu sagen und nach sich selbst zu schauen, ist auf jeden Fall von Vorteil. Man muss großartige Dinge von sich erwarten, um diese auch zu erreichen und dazu muss man selbst handeln. So ist es in der Pädagogik oft ein langwieriger Prozess, bis man seine Ziele erreicht und man muss auch die Stärke haben zu akzeptieren, wenn man einmal scheinbar keinen Erfolg hat trotz vieler Mühen.
Wer sollte sich auf diese Aufgabe auf gar keinen Fall bewerben?
Wir versuchen unseren Schülern das Handwerkszeug mit auf den Weg zu geben, zu mündigen jungen Erwachsenen zu werden, die im Leben wissen was sie wollen und das dann auch tun. Nicht nur das Abitur, auch die soziale und emotionale Kompetenz spielen eine große Rolle. Starke Persönlichkeiten handeln mit Kopf, Herz und Hand, deswegen sollten sich keine Lehrer bewerben, die nicht bereit sind mit Schülern auch mal zu diskutieren oder sich auf die Wünsche und Ziele der Kinder und Jugendlichen nicht gut einlassen können. Positive Verstärkung und sinnvolle Konsequenzen finden bei uns mit Abstand mehr Einsatz als Bestrafung, wer also ein Freund von Strafen ist, der wird sich hier auch nicht wohlfühlen. Ein 9/5 Job ist die Stelle auf keinen Fall, von daher ist auch Bewerbern abzuraten, die Beruf und Privatleben komplett trennen möchten.
Betreuen Sie nur Schüler eines Geschlechts und einer Altersgruppe oder eine gemischte Gruppe?
Ich betreue im Moment eine reine Jungengruppe mit 9 Jungs im Alter von 14 bis 19 Jahren. Die Jüngsten die ich betreut habe waren 12, die Ältesten 20. Eine Gruppe hatte ich über 7 Jahre bis zum Abitur geführt.
Erhalten Sie für Ihre Tätigkeit im Internat eine Entlastung im Unterricht?
Ja, man unterrichtet ein Drittel weniger durch die Aufgabe als Mentor.
Wie sieht eine durchschnittliche Woche, ein Arbeitstag bei Ihnen aus?
Das ist schwer zu beantworten, da jeder Tag ganz anders ist und auch viele Überraschungen bereithalten kann. Wir haben in Urspring auch ein Dekadensystem, das heißt, wir reisen am Sonntag an und sind dann 12 Tage am Stück da. Es gibt hierbei für die beiden Wochen einen unterschiedlichen Stundenplan. Für die Arbeitszeit am internen Wochenende, also dem Wochenende an dem alle Schüler im Internat bleiben, bekommt jeder Mentor in der Woche je einen freien Tag als Ausgleich, der in der Regel von 18.00 bis 18.00 Uhr geht.
Grundsätzlich ist von 7.40 Uhr bis 15.20 Uhr Schulzeit, in der ich nur Lehrerin bin, in dieser Zeit sind die jeweiligen Lehrer für die Mentoratskinder zuständig. In einer Woche unterrichte ich 16 Stunden, die auf die vier Arbeitstage unterschiedlich verteilt sein können.
Als Mentorin ist es meine erste Aufgabe am Tag, die Schüler zu wecken, dass sie pünktlich zum Unterricht erscheinen. Nach der Schule wollen die Jungs meistens von mir nichts wissen, da sie AGs, Basketballtraining oder eine Lehre besuchen. Um 19 Uhr lernen wir dann in der stillen Stunde bis 20 Uhr gemeinsam und dann ist um 21.30 Uhr und um 22 Uhr für die Älteren der Abendschluss. Hier ist die Aufgabe die Anwesenheit zu kontrollieren. Dies fällt ganz unterschiedlich aus, mal gehe ich nur durch die Zimmer und es wird ein bisschen geredet, mal sitzen wir alle zusammen und machen Spiele oder kochen gemeinsam. An manchen Tagen stehen auch Unternehmungen an, welche, kommt ganz auf die Gruppe und die Interessen des Mentors an. Ich habe mit meiner Gruppe beispielsweise einmal in der Woche einen Stammtisch, einmal in der Dekade machen wie eine Unternehmung und am Abreisesonntag kochen und essen wir gemeinsam.
Organisatorische Aufgaben wie Taschengeldausgabe, Fahrkartenbestellungen, Abrechnungen des Mentoratsgeldes usw, erledige ich in den Freistunden während der Schulzeit, bzw beim Abendschluss.
An den internen Wochenenden gibt es verschiedenen Angebote, an denen die Schüler teilnehmen können, hier bietet jeder Mentor zwei bis drei Aktionen pro Schuljahr an. Man kann allerdings jederzeit auch selbst etwas planen und mit den Schülern zum Beispiel Ausflüge unternehmen.
Zusätzliche Aufgaben wie Elternarbeit, Konferenzen, Besprechungen und die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt haben meist kein festes Zeitfenster.
Wie beurteilen Sie Ihre Arbeitsbelastung?
Jemand sagte einmal, wer seinen Job gerne macht, der muss nie wieder arbeiten.
Man muss schon viel Zeit investieren und wenn einem das Leben im Internat keine Freude bereitet, ist die Belastung schon sehr hoch. Man muss sich seine Zeiten gut einteilen und sich auch Auszeiten im Alltag nehmen.
Wie oft dürfen Sie das Internat während der Schulzeit verlassen?
Jederzeit, wenn ich keinen Unterricht habe. In der Mentoratszeit kann man für 1 Stunde ohne Probleme gehen, auch wenn man mal länger unterwegs sein möchte geht das, wenn man seinem Vertretungsmentor und seiner Gruppe Bescheid gibt.
Was sollte jeder Bewerber wissen?
Urspring ist eine eigene kleine Welt, nur dann, wenn man es sich selbst anschaut und ausprobiert, kann man sehen, ob es einem gefällt und man sich das vorstellen kann. Deswegen machen bei uns auch alle neuen Bewerber, Schüler wie auch Lehrer und Mentoren, zuerst einmal ein paar Probetage. Man lässt sich auf eine neue Lebensart ein, die mehr als nur ein Beruf ist.
Was ist Ihr Tipp für Bewerber, Neueinsteiger in diesen Beruf?
Nutzen Sie die Chance und Gelegenheit, die Welt ein kleines Stück besser zu machen. Kinder sind unsere Zukunft und es ist an uns, ihnen auf ihrem Weg zu mündigen Erwachsenen helfend beiseite zu stehen. Ob an der Schule oder am Internat, verlieren Sie nie den Grund aus den Augen, warum Sie einmal Lehrer werden wollten. Auch wenn der Alltag manchmal wenig erfolgsbringend scheint und man das Gefühl hat, man erreicht so wenig, jedes einzelne Kind zählt, welches man weiterbringen konnte und dessen Leben man schöner machen konnte. Dies gelingt auch sehr oft und das gibt jeden Tag neuen Mut und neue Freude an diesem Beruf.